NWJV aktuell - 11. Mai 2004
Vorschau Judo-Europameisterschaften
Andreas Tölzer kämpft um sein Olympia-Debüt
Obwohl sich in diesem Jahr „fast alles“ auf die Olympischen Spiele in Athen im August konzentriert, kann sich das Teilnehmerfeld der Judo-Europameisterschaften in Bukarest (14. bis 16. Mai) sehen lassen. Dreiviertel aller 64 Medaillengewinner der letztjährigen kontinentalen Titelkämpfe in Düsseldorf sind auch in der rumänischen Hauptstadt am Start. Insgesamt haben für die Meisterschaften, die ursprünglich in Belgrad (Serbien und Montenegro) ausgetragen werden sollten, aufgrund der „instabilen politischen Lage im Kosovo“ aber Ende März von der Europäischen Judo-Union (EJU) nach Bukarest verlegt wurden, 321 Judoka - 133 Frauen und 188 Männer - aus 38 Nationen gemeldet (Stand 5. Mai). Die größten Teams stellen dabei Frankreich, Rumänien, Russland, Serbien und Montenegro und Spanien mit jeweils 14 Aktiven - sieben Frauen und sieben Männer. Der Deutsche Judo-Bund (DJB) und der italienische Verband haben jeweils 13 (7/6) Athleten für die EM gemeldet. Mit nur einer Kämpferin stellt Norwegen das kleinste Team in Bukarest.
Von den 16 Europameistern von Düsseldorf 2003 fehlen lediglich die beiden Ukrainer Gennadi Bilodid (-73 kg) und Walentin Grekow (-90 kg), die Russin Liubow Bruletowa (-48 kg) sowie mit Sergei Aschwanden (-81 kg) der Schweizer Vize-Weltmeister von 2003. Aus dem erfolgreichen DJB-Team von Düsseldorf - Platz fünf in der Medaillenwertung (1 Gold/1 Silber/4 Bronze) - fehlen in Rumänien lediglich Weltmeister Florian Wanner (Großhadern/-81 kg) und Sandra Köppen (Brandenburg/+78 kg). „Für Wanner & Co. steht eine optimale Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Athen im Vordergrund“, erklärt DJB-Sportdirektor Manfred Birod (Rüsselsheim). „Unser Team in Bukarest setzt sich größtenteils aus Athleten zusammen, die noch einen Quotenplatz für Athen oder die NOK-Norm im Visier haben, sowie aus Kämpfern, die Wettkampfpraxis sammeln sollen. Zudem haben wir bei den Männern noch den ein oder anderen Judoka mit Perspektive auf 2008 nominiert.“
Bei den Männern schickt der DJB bei den Europameisterschaften insgesamt sechs Aktive an den Start, darunter auch die WM-Teilnehmer von Osaka, Gerhard Dempf (Großhadern/-90 kg) und Michael Jurack (Abensberg/-100 kg). „Gerhard und Michael sollen in ihren Gewichtsklassen noch weitere Startplätze für Athen sichern. Gelingt ihnen dies, können wir in Athen insgesamt fünf Gewichtsklassen besetzen“, hofft Männer-Bundestrainer Frank Wieneke (Köln) auf Erfolge seiner beiden Schützlinge. Mit Dennis Huck (Ettlingen/-73 kg) und Ole Bischof (Abensberg/-81 kg) geben gleich zwei Judoka ihr Debüt bei einer Europameisterschaft. Wieneke: „Beide sind hoch motiviert und werden in Bukarest ihr Bestes geben.“ Adrian Kulisch (Abensberg), der den DJB in der Klasse -66 kg vertritt, stand bereits bei der EM 2001 im Aufgebot.
Um einen persönlichen Olympia-Startplatz kämpft unterdessen Schwergewichtler Andreas Tölzer vom 1. JC Mönchengladbach. Der 24-Jährige stand bereits 2001 in München im WM-Team des Deutschen Judo-Bundes (Platz sieben im Schwergewicht) und holte 2003 in Düsseldorf Bronze in der Open-Kategorie, die in Bukarest sowohl bei den Männern als auch Frauen nicht zum EM-Programm gehört. „Schafft Andreas in Bukarest einen Platz unter den ersten Fünf, wird er den DJB in Athen mit hoher Wahrscheinlichkeit im Schwergewicht vertreten“, erklärt der Bundestrainer. Tölzer würde damit den Vortritt vor Frank Möller (Marzahn) erhalten, der dem nationalen Verband den Olympia-Startplatz in dieser Gewichtsklasse mit einem fünften Platz bei den Weltmeisterschaften in Osaka 2003 gesichert hat. Wieneke: „Andreas hat in der laufenden Saison konstant gute Leistungen erbracht und sich die Chance auf seine erste Olympia-Teilnahme redlich verdient.“
Während der Deutsche Judo-Bund bei den Männern die Klasse -60 kg unbesetzt lässt, schickt Frauen-Bundestrainer Norbert Littkopf (Leipzig) in Rumänien ein „komplettes“ siebenköpfiges Team auf die Tatami, angeführt von der Open-Europameisterin von Düsseldorf, Katrin Beinroth (Hannover/+78 kg), und der Olympia-Dritten von 2000 und WM-Dritten von 1999, Anna-Maria Gradante (Leverkusen/-52 kg). Eine EM-Prognose fällt Littkopf allerdings schwer: „Wir haben zwar bis auf Katrin keine weitere WM-Teilnehmerin aus dem erfolgreichen Team von Osaka in der Mannschaft, aber dennoch in nahezu jeder Klasse potenzielle Medaillenkandidatinnen.“
Medaillenkandidatinnen sind Heide Wollert (Halle/Saale), die sich in der Klasse -70 kg im vergangenen Jahr in Düsseldorf lediglich der Slowenin Rasa Sraka geschlagen geben musste, oder auch die EM-Dritte von 2003, Jenny Karl (Rüsselsheim/-78 kg), bei ihrer dritten Europameisterschaft. Über internationale Erfahrung verfügen auch die EM-Fünfte von 2000, Karoline Kubatzki (Hannover), die in der Klasse bis 57 kg angreift und die Deutsche Meisterin Julia Kriesten (Osnabrück/-48 kg), die bereits 2002 im slowenischen Maribor EM-Siebte war. Komplettiert wird das DJB-Team bei den Frauen von der Deutschen Meisterin und EM-Teilnehmerin von 2003, Claudia Malzahn (Halle/Saale), in der Kategorie bis 63 kg.
Im Hinblick auf die Frauenmannschaft des DJB bei den Olympischen Spielen wird die EM in Bukarest voraussichtlich aber keine Auswirkungen mehr haben. Littkopf: „Das Team für Athen steht eigentlich fest, und es wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein komplett anderes sein als in Bukarest.“ Die endgültige Nominierung des DJB-Olympia-Kaders - Männer und Frauen - erfolgt nach den Europameisterschaften in Bukarest.