NWJV aktuell - 12. August 2004
Vorschau Olympische Spiele in Athen Zwölf DJB-Starter kämpfen
um die heiß begehrten |
„Wir wollen in Athen zwei Medaillen gewinnen“, gibt Peter Frese, Präsident des Deutschen Judo-Bundes (DJB) die Marschroute für die Olympischen Spiele in Athen (13. bis 29. August) vor. Hierfür schickt der nationale Verband in der griechischen Hauptstadt zwölf Athleten - das Maximum bei den Frauen mit sieben Athletinnen sowie fünf Männer - auf die Matte.
Bis auf den Mönchengladbacher Andreas Tölzer, der im Schwergewicht die Position des Olympia-Dritten von 1996 und Vize-Weltmeisters von 1995, Frank Möller (Marzahn), einnimmt, standen alle Judoka auch im erfolgreichen WM-Team von Osaka 2003, das mit insgesamt fünf Medaillen (1/1/3) als beste europäische Nation Rang fünf im Medaillenspiegel belegte. Olympia-Erfahrung hat hingegen nur ein Viertel der DJB-Starter: Oliver Gussenberg (Osnabrück), Florian Wanner (Großhadern), Uta Kühnen (Berlin) und Sandra Köppen (Brandenburg). Sie standen auch bereits 2000 in Sydney im Aufgebot. Damals gewann der DJB durch Anna-Maria Gradante (Leverkusen) lediglich einmal Bronze.
Der Startschuss für die olympischen Judo-Wettbewerbe fällt am Samstag, 14. August, in der Ano Liossia Olympic Hall in Athen mit den Leichtgewichtsklassen (Frauen -48 kg und Männer –60 kg). Hier schickt der DJB mit den beiden Osnabrückern Julia Matijass und Oliver Gussenberg die WM-Fünften von Osaka ins Rennen. „Im Leichtgewicht spielt im Gegensatz zum Schwergewicht leider auch der Zufall immer wieder eine entscheidende Rolle“, erklärt DJB-Sportdirektor und Delegationsleiter Manfred Birod (Rüsselsheim). Als große Favoritin wird im Frauen-Leichtgewicht die sechsmalige Weltmeisterin (1993, 1995, 1997, 1999, 2001, 2003) Ryoko Tamura (Japan) gehandelt. Bei den Männern ruhen die Hoffnungen aus dem Land des Judo auf Tadahiro Nomura, Olympiasieger 1996 und 2000 sowie Weltmeister 1997.
Jeweils nur eine Gewichtsklasse besetzt hat der DJB an den Tagen zwei und drei der Olympischen Spiele in Athen. Hier zählt in der Klasse –52 kg bei den Frauen Raffaella Imbriani (Ettlingen), Vize-Weltmeisterin 2001 und WM-Dritte 2003, ebenso zum Favoritenkreis wie unter anderen die kubanische Weltmeisterin Amarilis Savon oder Vize-Weltmeisterin Annabelle Euranie aus Frankreich.
Vize-Weltmeisterin Yvonne Bönisch (Potsdam) muss sich am dritten der insgesamt sieben Judo-Wettkampftage mit der zweimaligen koreanischen Weltmeisterin (2001, 2003) Sun-Hui Kye messen. Beide standen sich zuletzt noch im Finale von Osaka gegenüber, das Kye gewann, nach dem sich die 23-jährige BWL-Studentin aus Potsdam eine Minute vor Schluss den linken Arm verletzte und den Kampf abbrechen musste. Nicht zu unterschätzen ist mit Sicherheit auch Isabel Fernandez (Spanien), Olympiasiegerin 2000 und Weltmeisterin 1997. In den Gewichtsklassen –66 kg und –73 kg bei den Männern konnten die deutschen Judoka dem nationalen Verband im Vorfeld der Spiele keinen Startplatz sichern.
Große Hoffnungen ruhen auf Weltmeister Florian Wanner, der am Dienstag, 17. August, ins Wettkampfgeschehen eingreifen wird. Der Großhaderner, nach Detlef Ultsch (Berlin/1979, 1983), Andreas Preschel (Berlin/1983), Udo Quellmalz (Leipzig/1991, 1995) und Daniel Lascau (Rüsselsheim/1991) erst der fünfte deutsche Mann, dem es gelang, bei einer Weltmeisterschaft Gold zu holen, zählt unter anderen seinen Freund und Finalgegner von Osaka, Sergei Aschwanden (Schweiz), sowie den Esten Alexei Budolin, Olympia-Dritter 2000 und WM-Dritter 2003, zu seinen härtesten Widersachern. „Theoretisch kommen aber rund zehn Kämpfer für die drei Podiumsplätze in Frage. Es wird eine ganz harte Sache, aber ich habe gut trainiert, bin von Verletzungen verschont geblieben und fühle mich gut in Form“, zeigt sich der Weltmeister vor seiner zweiten Olympiateilnahme optimistisch. Auch DJB-Präsident Peter Frese (Wuppertal) traut seinem Schützling einiges zu: „Florian trägt durch seinen WM-Titel zwar zurzeit einen zusätzlichen, 20 Kilogramm schweren Rucksack, aber er ist gut in Form, hat sich im Verlauf der Saison kontinuierlich gesteigert und wird in Athen an seine Leistung von Osaka anknüpfen.“
Parallel zu Florian Wanner strebt Anna von Harnier (Böblingen) nach einer auskurierten Schulterverletzung in der Klasse –63 kg bei den Frauen nach Bronze bei den Welt-Titelkämpfen in Osaka nun ihre zweite internationale Medaille im Senioren-Bereich an. Auch hier ist die Schar der Edelmetall-Anwärterinnen groß: Gella Vandecaveye (Belgien), Weltmeisterin 2001 und Olympia-Dritte 1996, Sara Alvarez (Spanien), Vize-Weltmeisterin 2001 sowie WM-Dritte 1997 und 1999, oder auch die Überraschungs-Weltmeisterin von Osaka, Daniela Krukower (Argentinien).
Für Gerhard Dempf (Großhadern/-90 kg) gilt es in Athen, die Leistung von den Weltmeisterschaften in Osaka zu bestätigen. Der 25-jährige Olympia-Debutant musste sich in Japan nach erfolgreichen Kämpfen gegen Ozgur Yilmaz (Türkei) und Grega Greif (Slowenien) erst in der dritten Runde gegen den Briten Winston Gordon geschlagen geben. Männer-Bundestrainer Frank Wieneke (Köln): „Ihm traue ich durchaus noch mehr zu. Er hat großes Potenzial - ebenso wie Michael Jurack.“ Der Abensberger, Siebter in Osaka, geht in Athen in der Klasse -100 kg an den Start und hat es dort unter anderen mit Judo-Legende Kosei Inoue (Japan), dreimaliger Weltmeister (1999, 2001 und 2003) und Olympiasieger 2000, zu tun.
Die Leipzigerin Annett Böhm (-70 kg), WM-Dritte von Osaka, gehört für Frauen-Bundestrainer Norbert Littkopf (Leizig) ebenfalls zum Favoritenkreis: „Theoretisch können alle sieben auf das Siegerpodest - inklusive Annett Böhm. Aber man muss immer abwarten, wie sich ein Wettkampf entwickelt.“ Heiße Titelaspirantin ist die zweimalige Weltmeisterin (2001 und 2003) Masae Ueno (Japan), der Annett Böhm bei den Weltmeisterschaften in Osaka noch in Runde eins unterlegen war, sich aber später über die Trostrunde noch auf Rang drei vorkämpfen konnte.
Japans weibliches Pendant zu Kosei Inoue heißt Noriko Anno und startet in der Klasse -78 kg. Viermal war sie bereits Weltmeisterin (1997, 1999, 2001 und 2003). In Athen soll nun der erste olympische Titel folgen. Für die Berlinerin Uta Kühnen, die in der gleichen Kategorie startet wie Anno, sind die Olympischen Spiele in Athen vermutlich die letzte Chance auf Edelmetall bei Olympischen Spielen oder Weltmeisterschaften. Dreimal gewann sie bereits Bronze bei Europameisterschaften, viermal war sie bei einer WM dabei (bestes Ergebnis: Platz fünf 2001 in München). Mit Jenny Karl (Rüsselsheim) steht bereits eine potenzielle Nachfolgerin in den Startlöchern.
Der Schlusstag der olympischen Judo-Wettbewerbe ist ganz und gar den Schwergewichtlern gewidmet. Andreas Tölzer, der bei den Männern den Platz des Olympia-Dritten von 1996 und Vize-Weltmeisters von 1995, Frank Möller (Marzahn), einnimmt, hat sich für sein Olympia-Debut große Ziele gesteckt. „Ich will eine Medaille.“ Die hat er im Seniorenbereich bisher nur bei den Europameisterschaften 2003 in Düsseldorf (Bronze) gewonnen. Open-Weltmeister Keiji Suzuki (Japan), der Vize-Weltmeister von 2003, Dennis van der Geest (Niederlande), gegen den Tölzer noch vor knapp drei Monaten bei den Europameisterschaften in Bukarest im Kampf um Bronze unterlag, sowie Tamerlan Tmenow (Russland), Olympia-Dritter 2000, WM-Dritter 2003 und fünfmaliger Europameister, sind dabei nur drei seiner Konkurrenten im Kampf um Edelmetall.
Die WM-Dritte von 2001, Sandra Köppen (Brandenburg), schrammte 2000 in Sydney als Fünfte nur knapp am Podium vorbei. Bei den Weltmeisterschaften 2003 in Osaka wurde die gebürtige Potsdamerin erneut um eine Medaille gebracht. Die 29-Jährige hatte sich in ihrem Auftaktkampf am rechten Auge verletzt und anschließend noch bis ins „kleine Finale“ durchgebissen. Den abschließenden Kampf um Bronze musste Köppen dann aber unter Tränen absagen. Stattdessen wurde die WM-Dritte von 2001 mit Verdacht auf Jochbeinbruch ins Krankenhaus gebracht. Mit Weltmeisterin Fuming Sun (China), Dayma Beltran (Kuba), Weltmeisterin 1997 und 1999 (Open), oder auch Karina Bryant (Großbritannien), Vize-Weltmeisterin 2001 und WM-Dritte 2003, stellen aber noch weitere Schwergewichtlerinnen Ansprüche auf olympisches Edelmetall.
Ob Japan als Judo-Großmacht in Athen vom Thron gestürzt werden kann ist mehr als fraglich. So gewannen die Athleten aus dem Heimatland des Judo bei den Weltmeisterschaften in Osaka allein sechs der insgesamt 16 Goldmedaillen - bei Welt-Titelkämpfen gehört auch die Open-Kategorie mit zum Programm. Fraglich ist auch, ob die koreanischen Kämpfer nochmals an die drei Goldmedaillen von Osaka anknüpfen können. Und wie sieht es mit den europäischen Nationen aus? „Interessant wird sein, wie die Franzosen abschneiden werden. Bei der WM 2003 und bei den Turnieren 2004 konnten sie nicht überzeugen. Bei Olympischen Spielen waren sie bisher allerdings immer mit vorn dabei. Ein dickes Fragezeichen steht auch noch hinter Russland“, erklärt Manfred Birod. „Und ansonsten müssen wir abwarten. Jedes Land hat Medaillen-Kandidaten dabei.“